Texttransfer und intertextuelle Bezüge in den Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

Texttransfer und intertextuelle Bezüge in den Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Akademievorhaben "Die Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit" (Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig)
Ausrichter
Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Veranstaltungsort
Karl-Tauchnitz-Straße 1
PLZ
04107
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
07.10.2024 - 09.10.2024
Deadline
01.03.2024
Von
Agnes Silberhorn, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig

Die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig veranstaltet zusammen mit dem interakademischen Forschungsvorhaben Die Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit vom 07.10. bis zum 09.10.2024 am Sitz der Akademie in Leipzig eine interdisziplinäre Tagung zum Thema „Texttransfer und intertextuelle Bezüge in den Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“.

Texttransfer und intertextuelle Bezüge in den Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

Inschriften sind Beschriftungen verschiedener Materialien – Stein, Holz, Metall, Glas usw. –, die von Arbeitskräften und mit Methoden hergestellt sind, die nicht dem Schreibschul-, Kanzlei- und Druckbetrieb angehören.

Inschriften sind ein wesentlicher Teil der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schriftlichkeit. Sie sind eine Textgattung sui generis, die eine eigene Sprache und eigene Formeln hervorgebracht hat. Inschriften unterscheiden sich von allen anderen Textgattungen darin, dass sie ihre volle Bedeutung nur über ihre materielle Bindung an einen bestimmten Träger bzw. Standort entfalten. Das ist bei einer Textanalyse stets zu berücksichtigen.

Als Teil der gesamten Schriftlichkeit ihrer Zeit stehen Inschriften im Austausch mit anderen Textgattungen, die ihrerseits auf Inschriften verweisen oder diese zitieren – wenn auch selten. Die Aufnahme von Texten anderer Gattungen, d. h. deren Transfer in die Inschriften, soll den Schwerpunkt der Tagung bilden. Die transferierten Texte werden im Folgenden „Prätexte“ genannt. „Prätext“ ist ein abstrahierender Begriff, der jeden Text einer anderen Textgattung meint, den der Verfasser (oder die Verfasserin) einer Inschrift als Vorlage nutzte. Er kann von einer Inschrift zitiert, paraphrasiert oder auch nur indirekt berücksichtigt werden. Daher lassen sich Intention und Bedeutung einer solchen Inschrift oft nur über die Bestimmung des von ihr aufgegriffenen Prätextes verstehen. Das können Urkunden und Urkundenformeln, Dichtungen, Sprichwörter, liturgische Texte, Kirchenlieder u. v. a. m. sein. Sie wurden über den ganzen vom Forschungsvorhaben Die Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bearbeiteten Zeitraum vom frühen Mittelalter bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges inschriftlich umgesetzt; ihr Auftreten und ihre Verbreitung sind allerdings zeitlich höchst verschieden. Inschriften, die Prätexte einschließen, sind beständig Gegenstand epigraphischer Textanalyse, die Inschriften als Quellengattung der Geschichtsschreibung zugänglich macht.

Inschriften mit Prätexten ließen sich unter Fragestellungen wie die folgenden untersuchen, die auch Schwerpunkte von Tagungssektionen bilden können:

Frequenz des Texttransfers
- einmalige Übernahme eines Prätextes (z.B. Dichtung, Urkunde)
- wiederholte oder regelmäßige Übernahme von Prätexten (z. B. Bibelverse)
- die dauerhafte Adaption von Prätexten (z. B. Fürbittformeln aus liturgischen Texten)

Modi des Texttransfers
- wörtliche Zitierung
- indirekte Zitierung oder Paraphrasierung
- inhaltliche und formale Bezugnahme oder Anspielung

Unter Berücksichtigung seiner Frequenz und Modi lässt sich der Texttransfer untersuchen hinsichtlich
- der Zeit und des Ortes
- der Semantik der Inschrift (z. B. Repräsentation humanistischer Bildung durch antike Dichtung)
- der Pragmatik der Inschrift (z. B. Bekanntmachung einer obrigkeitlichen Verfügung oder Rechtsicherung im öffentlichen Raum).

Dabei sind immer Ausführungstechnik und Schriftform des Inschriftträgers zu berücksich-tigen, die für Wahrnehmung und Wirkung der Inschrift von wesentlicher Bedeutung sind.

Die Vielfalt methodischer und sachlicher Ansatzpunkte der Tagung lässt aufschlussreiche Einzelergebnisse erwarten. Es bietet sich aber auch die Gelegenheit, Forschungsresultate über Einzelfälle hinaus zusammenzufassen und verallgemeinerbare Aussagen zu den Rezeptionsbedingungen der Prätexte von Inschriften zu treffen. Die Tagung gäbe anhand des Mediums „Inschrift“ Aufschluss über Textkenntnis und -verständnis, über den Bildungsstatus von Auftraggeber und Adressat sowie über die erhoffte Wirkmächtigkeit von Prätexten unter dem Aspekt ihrer dauerhaften Publizität in Gestalt öffentlich wahrnehmbarer Inschriften. Ferner ließe sich über die zeitliche und räumliche Verdichtung des Transfers bestimmter Prätexte deren zeitgebundene oder überzeitlich gültige Bedeutung erschließen. Überschneidungen der Tagungsprogrammatik mit dem von der Literaturwissenschaft entwickelten Konzept der Intertextualität sollten sich als fruchtbar erweisen.

Die Tagung richtet sich sowohl an Inschriftenforscherinnen und -forscher als auch an alle, die sich mit der Schnittstelle von Prätext und Inschrift auch und gerade im Kontext ihrer Fachdisziplinen wie z.B. Landes-, Kirchen-, Bau-, Kunst- oder Sprachgeschichte beschäftigen.

Interessierte sind eingeladen, Vortragsthemen mit einer dreizeiligen Inhaltsangabe bis zum 1. März 2024 einzureichen. Für jeden Vortrag sind etwa 30 Minuten Redezeit vorgesehen. Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge ist geplant.

Kontakt

Dr. Franz Jäger
Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Forschungsstelle „Die Deutschen Inschriften“
Friedemann-Bach-Platz 6
D-06108 Halle (Saale)
Mail: jaeger@saw-leipzig.de

https://www.saw-leipzig.de/de/aktuelles/inschriften-2024